Stubentiger

Während ich dies schreibe sitzt sie neben mir auf der Sessellehne, leckt mit rauer Zunge meinen Arm. Meggie, meine Europäische Kurzhaarkatze. Weiße Brust, Bauch und Pfoten, der Rest des Fells ist schwarzbraun gescheckt.

So lange gehört diese Katze schon zu meinem Leben, hat alle Höhen und Tiefen miterlebt, sie könnte fast selbst ein Buch darüber schreiben. Ich muss tatsächlich selbst erst überlegen, kann es nicht genau sagen, wie alt Meggie heute ist. Mindestens 13 Jahre, oder schon 15? Papiere hat sie nicht, ist ja ein Findling aus dem Tierheim. Die 2. von einstmals 5 Katzen, die uns ins Haus kamen.

Den Anfang machte Carlo, damals noch in Friedrichshafen. Eines Nachts saß er plötzlich im Auto und wir wissen nicht, wie er da rein gekommen ist. Selbst reingeklettert oder von jemandem, der ihn loswerden wollte, reingesetzt? Ein kleines, verschnupftes, schwarzweißes Bündel mit Durchfall. Und so was wie Liebe auf den ersten Blick. Ich mochte ihn jedenfalls nicht wieder weggeben.

Mindestens 1 Jahr hatten wir Carlo allein, bis wir uns entschlossen, eine 2. Katze als Gesellschaft für ihn aus dem Tierheim zu holen. Die kleinste und schüchternste Katze hab ich ausgesucht. Weil sie mir Leid tat, allein, abseits von den anderen. Eben Meggie!

Schüchtern? Da hatte ich mich gründlich verkalkuliert! Bei uns zu Hause lebte sie nämlich auf, kehrte den Frechdachs raus. Carlo war zunächst eher skeptisch und genervt, keineswegs begeistert von dem Neuzugang. Aber die beiden haben sich ziemlich schnell zusammen gerauft. Blödsinn haben sie genug gebaut; Blumen runter geschmissen, Essen stibitzt, da durften wir nichts rumliegen lassen. Sogar die Schränke haben sie auf gekriegt und durchaus schon mal Milchpackungen oder Nudeltüten rausgezerrt, ebenfalls den Mülleimer ausgeleert, weil die Thunfischdosen darin gar zu verführerisch dufteten. Oder es wurde zu nächtlichen Unzeiten wild durch die Wohnung getobt und miaut.

Tja, sie können einen Nerven kosten, die geliebten Mistviecher! Und dennoch konnte ich nicht nein sagen, als so ca. 4 Jahre später 2 weitere Katzen dazu kamen. Geschwister aus dem Wurf einer Streunerkatze, um die sich keiner kümmerte. Der gelb getigerte Sancho und seine Schwester Munki, eine grau getigerte. Vor allem Sancho hatte sich sofort Meggie als Ersatzmutter ausgesucht. Und sie hielt auch geduldig still, wenn Sancho an ihren Zitzen säugte, obwohl da nun kaum Milch raus gekommen sein dürfte. Wohlig geschnurrt hat der kleine Kater und seine Ohren waren ganz rosig dabei.

Insgesamt ein großer, kuscheliger Haufen, der auch meist als buntes Knäuel zusammen lag. Meist wurden wir verständnislos angesehen, wenn die Rede auf unsere vielen Katzen kam. Vor allem, als es schließlich 5 wurden. Die Mutter von Sancho und Munki bekam andauernd wieder Junge und aus einem späteren Wurf kriegten wir dann noch Wusel, unser Problemkind. Diese Katze, auch scherzhaft Putzlumpen genannt, weil ihr Fell wirklich einem zerrupften Lumpen ähnlich sah, wurde niemals richtig zahm. In all den Jahren hat sie sich nie freiwillig streicheln lassen, fauchte sofort und rannte weg, wenn ihr jemand zu nahe kam. Nur mit ihrer Katzenfamilie verstand sie sich gut, vor allem mit dem großen Bruder Sancho, die beiden waren ein Herz und eine Seele.

Die Katzen habe ich alle 5 behalten, als die Zeit in Friedrichshafen jäh ein tragisches Ende nahm, ich von dort weg nach Bückeburg zu meinen Eltern gezogen bin. Harte Monate brachen jetzt für die Katzen an! An ein Leben in der Wohnung mit Familienanschluss gewöhnt hatten sie dort für die nächsten Monate nur einen Verschlag auf dem Dachboden im Winter bei solcher Kälte, dass mitunter selbst das Wasser im Trinknapf eingefroren war.

Aber es kamen wieder bessere Zeiten, für mich und die Katzen, in meiner endlich wieder eigenen Wohnung in Minden. Die Katzen sahen Männer kommen und gehen, einen davon schließlich für immer bleiben. Sie erlebten auch die Geburt des 1. Kindes. Aber die Katzen wurden nach und nach weniger. Carlo erkrankte im hohen Alter von 15 Jahren an Nierenleiden, musste eingeschläfert werden. Munki lag nur wenige Tage später einfach so plötzlich tot da. Ob sie aus Kummer über den Verlust von Carlo gestorben ist. Auch Wusel wurde eines Tages immer magerer, hat nicht mehr gefressen. Bei ihr wurde ebenfalls Nierenleiden diagnostiziert, auch sie musste eingeschläfert werden. So wurden aus 5 Katzen innerhalb recht kurzer Zeit nur noch 2 Katzen.

Sancho und Meggie haben schließlich den Umzug nach Espelkamp noch miterlebt. Und das 2. Kind. Aber damit wurde es Sancho wohl zu viel. Ich denke, er fühlte sich vernachlässigt, der kleine Pascha, weil ich mit 2 Kindern beim besten Willen kaum noch Zeit für die Katzen hatte. Jedenfalls fing er an, in schöner Regelmäßigkeit seine Häufchen in der Wohnung zu verteilen. Das mochte ich mir bei aller Liebe nicht lange mit ansehen, vor allem nicht, als ein Häufchen genau auf meinen Schuhen landete. Also wurde Sancho kurzer Prozess gemacht und er kam nach vielen gemeinsamen Jahren ins Tierheim. Dort, so erfuhren wir später, blieb er jedoch keinen Tag. Gleich fand sich jemand, dem Sancho so gut gefiel, dass er ihn mitgenommen hat. Und dort darf er jetzt wieder den Pascha raushängen lassen, ist der Mittelpunkt der Familie.

Und jetzt ist Meggie die letzte Katze, die noch friedlich entspannt auf dem Sofa schläft, wohlig schnurrt und an meinen Fingern knabbert, wenn sie gestreichelt wird. Ihre alten Tage verbringt sie auf oder unter dem Bett, bei schönem Wetter auf dem Balkon oder an ihrem neuen Lieblingsplatz, der Fensterbank von Esszimmer, auf einem Kissen, hinter der Gardine versteckt. Wie lange wird sie mein Leben noch begleiten? Eine alte Dame, von der ich mir nicht vorstellen kann, dass auch sie früher oder später nicht mehr da sein wird.w